Personalentwicklung mit Hirn
Die dem Lernen zugrundeliegenden Vorgänge im Gehirn sind assoziativ und nochgradig nicht-linear. Die nachhaltigsten Lernprozesse (Laufenlernen, Spracherwerb, Sozialisation…) werden durch massive Zumutungen von Komplexität, Überforderung und emotionaler wie kognitiver Frustration induziert.
Inwiefern tragen wir als Trainer durch die mundgerechte Aufbereitung von linear aufeinander aufbauenden Inhalten nach der „Keep it Short and Simple“ Maxime selbst dazu bei, dass Lerneffekte oft nicht dauerhaft sind und dass Teilnehmer in erlernter Hilflosigkeit und passiven Konsumentenhaltungen fixiert werden?
Die Neurodidaktik beschäftigt sich mit der Übertragung von Erkenntnissen über Lernvorgänge im Gehirn auf die Praxis des Lernens und Lehrens. Daraus ergeben sich Anregungen für nachhaltiges Lernen und Behalten komplexer Inhalte sowie zur Steigerung der Lernmotivation. Bislang wurden diese Erkenntnisse überwiegend für den schulischen Bereich ausgewertet und (auch dort leider noch sehr fragementarisch) umgesetzt.
Während das Gehirn in modernen Seminaren in aller Munde ist, gibt es erheblichen Aufholbedarf, was die theoretische und praktische Übertragung von Neurodidaktik in den Kontext des betrieblichen Lernens anbelangt. Allerdings verlangt eine solche Übertragung Trainern und Auftraggebern gleichermaßen viel Mut ab, da ihre praktischen Konsequenzen weit über den altbekannten Methodenmix aus mehrkanaliger Kommunikation, Rollenspielen und erlebnispädagogischen Elementen hinausgeht. Wer die Befunde der Neurodidaktik ernst nimmt, muss sich die folgenden Fragen stellen:
Wie viel emotionalen Tiefgang (also wie viel Konfrontation mit den eignen Ängsten, unausgesprochenen Wünschen, Gier, Neid, Scham) mute ich meinen Teilnehmern angesichts des Evaluationsdrucks („Happy Sheets“) wirklich zu? Für wirksame neuroplastische Veränderungen wäre mehr davon zieldienlich.
- Glaube ich wirklich, dass ich als Trainer die heute benötigten Metakompetenzen wie das Entscheiden unter Unsicherheit und zunehmender Komplexität durch „So-geht’s-Trainings“ mit einfachen „Tools“ und „Lösungen“ vermitteln kann, die die reale Komplexität auf Schrittfolgen und lineare Leitfäden reduzieren?
- Inwieweit sollte sich Personalentwicklung daher von den auf der Verhaltensebene trainierbaren „skills“ auch im betrieblichen Kontext wieder in Richtung Persönlichkeitsentwicklung bewegen und – statt fertige Lösungen mit geringer Halbwertszeit zu liefern – durch die Steigerung des Reifegrads von Individuen und Organisationen die Ermöglichung von Lösungen befördern?
Nähere Informationen erhalten Sie ab November in unserem Buch:
Hütter, F. Lang, SM (2017). Neurodidaktik. Trainingsmethoden effektiver gestalten nach den neuesten Erkenntnissen der Gehirnforschung. 2. Auflage. Bonn: managerSeminare Verlags GmbH (Trainingsmedien).
Einzelne Aspekte zum Thema „Trainieren mit Hirn“ beleuchten wir in den 19 Beiträgen unserer Serie „Neuro-Training“ in der Zeitschrift Training aktuell, die inzwischen als zweiteiliges Dossier vorliegen.
© by Dr. Franz Hütter 2010 – 2023